Antidepressiva bei Kindern / Jugendlichen

News zu: Antidepressiva bei Kindern / Jugendlichen

Erfahrungen, Erfahrungsberichte

Warnung vor dem Einsatz von SSRI und SNRI bei Kindern und Jugendlichen

25.04.2005 Die medizinische Regulierungsbehörde der EU hat eine Warnung mit hoher Dringlichkeit betreffend bestimmter Antidepressiva herausgegeben. Es werden Ärzte und Eltern gewarnt, da zwei Arten von Antidepressiva besonders für Kinder und Jugendliche gefährlich wären.

Ein Experten-Kommittee stellte fest, dass Prozac-ähnliche Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) und Serotonin-Norepinephrin-Wiederaufnahmehemmer (SNRI) mit erhöhtem Suizidverhalten und feindseligem Verhalten in Verbindung zu bringen seien.

„Es sei daher eine Dringlichkeitswarnung an sämtliche Länder der EU herauszugeben, an alle Ärzte und Eltern. Ihnen sei anzuraten, diese Antidepressiva nicht Kindern und Jugendlichen zu geben.“

Diese Warnung ist das letzte Zeichen einer weltweiten Abkehr vom Gebrauch von Prozac-typ Pillen (Wirkstoff Fluoxetin) bei Kindern und Jugendlichen aufgrund der Belege, dass diese Antidepressiva suizidales und aggressives Verhalten fördern.

Die meisten dieser Antidepressiva seien nur für den Gebrauch bei Erwachsenen untersucht worden. Doch die Ärzte hätten sie manchmal auch gegen die Gebrauchshinweise bei Kindern angewandt.

Einige der Antidepressiva seien auch für den Gebrauch bei Kindern bei z.B. Hyperaktivität zugelassen (Eli Lillys Strattera). Der Sprecher der EU Martin Harvey sagte, die neuen Warnungen sollten nicht die Anwendung in solchen Fällen blockieren.

Im Fall von Strattera, sagte Harvey: es gäbe keine Verbindung zu suizidalen Verhaltensweisen, aber die Experten meinten, dass dieses Antidepressivum einen Warnhinweis auf Nebenwirkungen wie aggressives und feindseliges Verhalten tragen sollte.

Die Warnungen schlossen folgende Antidepressiva ein:

  1. GlaxoSmithKline Plc’s Paxil, oder Seroxat;
  2. Lundbeck’s Antidepressiva Celexa und Lexapro;
  3. Pfizer Inc’s Zoloft;
  4. Wyeth’s Efexor;
  5. Akzo Nobel’s Remeron; und zwei andere Antidepressiva von
  6. Lilly, Cymbalta and Prozac.

© arznei-news.de – Quelle: London Reuters – 25 April 2005

Antidepressiva verbessern nicht das Wohlbefinden von Kindern/Jugendlichen

09.07.2014 In einer aktuellen Studie – veröffentlicht in Psychotherapy and Psychosomatics – wurden die Effekte von Antidepressiva (AD) auf das Wohlbefinden von Kindern und Jugendlichen analysiert.

Jüngste Metaanalysen zur Wirksamkeit von Antidepressiva der 2. Generation (die sogenannten Selektiven Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer oder SSRI) bei jungen Menschen konnten zeigen, dass diese Medikamente einen statistisch deutlichen Effekt im Vergleich zu einem Placebo hinsichtlich klinisch depressiver Symptome besitzen. Jedoch hat bisher noch keine Metaanalyse (die Analyse der Befunde mehrerer Studien) die Auswirkungen auf

  • Lebensqualität,
  • allgemeine psychische Gesundheit,
  • Selbstbewusstsein oder
  • Autonomie

erfasst. Weiterhin haben frühere Metaanalysen nicht die Selbstberichte über depressive Symptome berücksichtigt.

Die Studien wurden aus den Datenbanken von Medline, PsycINFO, dem Cochrane Central Register for Controlled Trials und GlaxoSmithKline ausgewählt, wenn sie Selbstberichte zu den depressiven Symptomen enthielten und Aussagen zur Lebensqualität, der generellen psychischen Gesundheit, Selbstbewusstsein und autonomen Funktionen machten. Durch diese wurde dann auf das allgemeine Wohl geschlossen.

  • Die Ergebnisse zeigten einen nicht signifikanten Unterschied zwischen Antidepressiva der zweiten Generation und Placebos in Bezug auf die selbstberichteten depressiven Symptome.
  • Auch hinsichtlich der Lebensqualität, der allgemeinen psychischen Verfassung, des Selbstbewusstseins und der Autonomie erbrachten Antidepressiva keinen bedeutsamen Vorteil gegenüber einer Behandlung mit Placebos.

Obwohl durch eine kleinere Anzahl an Studien limitiert, legt diese Analyse nahe, dass Antidepressiva nur wenig bis gar keinen Nutzen bieten, das Wohlbefinden von depressiven Kindern und Jugendlichen zu verbessern.

© arznei-news.de – Quelle: Psychotherapy and Psychosomatics, Juli 2014

Wirksamkeit von Antidepressiva bei Kindern und Jugendlichen mit Depression

09.06.2016 Eine in der Zeitschrift The Lancet veröffentlichte Studie der Universität Oxford verglich Wirksamkeit und Sicherheit von 14 Antidepressiva (darunter Fluoxetin – Markennamen: Prozac, Fluxet etc.) hinsichtlich der Behandlung von Depression bei Kindern und Jugendlichen.

Dr. Andrea Cipriani und Kollegen verglichen in einer systematischen Rezension und Netzwerk-Metaanalyse aller veröffentlichten und unveröffentlichten randomisierter Studien, die Effekte von 14 Antidepressiva bei jungen Menschen mit klinischer Depression bis Ende Mai 2015.

Vergleich mit Placebo

In die Analyse einbezogen wurden: Amitriptylin, Citalopram, Clomipramin, Desipramin, Duloxetin, Escitalopram, Fluoxetin, Imipramin, Mirtazapin, Nefazodon, Nortriptylin, Paroxetin, Sertralin und Venlafaxin.

Sie ordneten die Antidepressiva nach Wirkung (Veränderungen bei den depressiven Symptomen und Ansprechen auf die Behandlung), Verträglichkeit (Unterbrechung wegen Nebenwirkungen), Akzeptanz (Unterbrechung wegen jeder Ursache) und schweren Nebenwirkungen (d.h. Suizidgedanken und -versuche).

Die Analyse von 34 Studien mit 5.260 Teilnehmern (durchschnittliches Alter 9 bis 18 Jahre) zeigte, dass die Vorteile die Gefahren in Bezug auf Wirkung und Verträglichkeit nur bei Fluoxetin überwogen.

  • Nortriptylin war weniger wirksam als sieben andere Antidepressiva und Placebo.
  • Imipramin, Venlafaxin und Duloxetin hatten ein schlechteres Verträglichkeitsprofil und führten zu deutlich mehr Therapieabbrüchen als Placebo.
  • Venlafaxin war mit einem Risiko für Suizidgedanken oder -versuchen im Vergleich zu Placebo und fünf anderen Antidepressiva verbunden.

Bestes Nutzen-Risiko-Verhältnis

Bei der Wirksamkeit war nur Fluoxetin statistisch signifikant wirksamer als Placebo. Im Hinblick auf die Verträglichkeit schnitt es besser ab als Duloxetin und Imipramin.

Die Autoren warnen allerdings, dass wegen des Mangels an zuverlässigen Daten es nicht möglich war, die Gefahr der Suizidalität für alle Medikamente zu bewerten.

Auch die wahre Wirksamkeit und die Gefahren bleiben unklar wegen der kleinen Zahl und des ungenügenden Designs der Studien, sagten die Autoren.

© arznei-news.de – Quellenangabe: Universität Oxford, The Lancet – dx.doi.org/10.1016/S0140-6736(16)30385-3; Juni 2016

Wirksamkeit und Sicherheit verschiedener Antidepressiva bei Heranwachsenden mit verschiedenen psychischen Störungen

17.09.2017 Eine im Fachblatt JAMA Psychiatry veröffentlichte Studie der Universität Basel untersuchte die Wirksamkeit und Sicherheit verschiedener Antidepressiva-Gruppen bei der Behandlung von Kindern und Jugendlichen mit verschiedenen psychischen Erkrankungen.

Die Psychologen verglichen in ihrer Metaanalyse die Daten von 6.778 Kindern und Jugendlichen aus 36 Forschungsarbeiten zu Wirksamkeit und Sicherheit von selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmern (SSRI) und Serotonin-Norepinephrin-Wiederaufnahmehemmern (SNRI) sowie Placebo bei häufigen psychiatrischen Störungen von Heranwachsenden (mittleres Alter knapp 13 Jahre).

Psychische Erkrankungen

Es wurden veröffentlichte und unveröffentlichte randomisierte klinische Studien mit SSRI oder SNRI bei Kindern/Jugendlichen mit depressiven Störungen (17), Angststörungen (10), Zwangserkrankungen (8) oder Posttraumatischer Belastungsstörung (PTBS) (1) aufgenommen. Studien mit anderen Antidepressiva (z.B. trizyklische Antidepressiva, Monoaminoxidase-Hemmer) wurden ausgeschlossen.

Wirksamkeit

Die Analyse zeigte, dass SSRI und SNRI im Vergleich zu Placebo statistisch deutlich wirksamer die Symptome der psychischen Störungen linderten.

Der Effekt zeigte sich stärker bei der Behandlung von Angststörungen (g = 0,56) und nicht so ausgeprägt bei depressiven Störungen (g = 0,20 [Effektstärke – Hedges g]).

Dieser Unterschied wurde vor allem durch das Placebo-Ansprechen hervorgerufen, schreiben die Wissenschaftler: Patienten mit depressiven Störungen zeigten signifikant ein größeres Placebo-Ansprechen (g = 1,57) im Vergleich zu Patienten mit Angststörungen (g = 1,03). Die SSRI erzeugten eine relativ große Effektgröße bei Angststörungen (g = 0,71).

Nebenwirkungen

Verglichen mit Teilnehmern, die Placebo erhielten, berichteten mit Antidepressiva behandelte Patienten über mehr behandlungsbedingte Nebenwirkungen (Relatives Risiko: 1,07 bzw. 1,49; je nach Berichtsmethode), schwere unerwünschte Ereignisse (RR 1,76) oder Behandlungsabbrüche (RR 1,79).

Die Psychologinnen Dr. Cosima Locher und Helen Koechlin von der Abteilung Klinische Psychologie und Psychotherapie von der Fakultät für Psychologie schreiben, dass selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer und Serotonin-Norepinephrin-Wiederaufnahmehemmer im Vergleich zu Placebo wirksamer sind, aber auch mehr Nebenwirkungen hätten.

Daher sei „es wichtig, das Verhältnis zwischen klinischem Nutzen und möglichen Nebenwirkungen im Gespräch mit dem behandelnden Arzt individuell abzuklären“, schließen sie.

© arznei-news.de – Quellenangabe: Universität Basel, JAMA Psychiatry – doi:10.1001/jamapsychiatry.2017.2432; Sept. 2017

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