Smart Drugs zur Steigerung der Denkfähigkeiten

Doch nicht so ’smart‘? Intelligenzmedikamente erhöhen das Niveau, verringern aber die Qualität der kognitiven Leistung

Smart Drugs zur Steigerung der Denkfähigkeiten

15.06.2023 Neue in Science Advances veröffentlichte Forschungsergebnisse der Universitäten Cambridge und Melbourne zeigen, dass neurotypische Arbeitnehmer und Studenten, die kognitive Verstärker (Neuroenhancer) oder „Smart Drugs“ (Intelligenzmedikamente; [auch manchmal merkwürdigerweise als „intelligente Medikamente oder Drogen“ übersetzt]) einnehmen, möglicherweise tatsächlich ihre Leistung und Produktivität beeinträchtigen.

Neuroenhancer

Medikamente wie Methylphenidat, das unter anderem unter dem Markennamen Ritalin verkauft wird, werden häufig zur Behandlung der Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) verschrieben, aber auch von Personen ohne diese Diagnose eingenommen, in dem Glauben, dass die Medikamente die Konzentration und die kognitive Leistung verbessern.

In vier doppelblinden, randomisierten Studien in Melbourne nahmen dieselben 40 gesunden Teilnehmer im Abstand von jeweils einer Woche eines der drei beliebten „Smart Drugs“ Methylphenidat, Modafinil oder Dextroamphetamin oder ein Placebo ein. Sie wurden nach ihrer Leistung in einem Test bewertet, der die komplexen Entscheidungs- und Problemlösungsprozesse in unserem Alltag nachbilden soll.

Während frühere Studien zur Wirkung dieser Neuroenhancer einfachere kognitive Aufgaben verwendet haben, die auf das Gedächtnis oder die Aufmerksamkeit abzielten, wurden in der Melbourne-Studie rechnerisch komplexere Aktivitäten durchgeführt, die die schwierigen Aufgaben des täglichen Lebens besser simulieren.

Einbußen bei Genauigkeit und Effizienz

Die Teilnehmer sollten eine Übung absolvieren, die als „Knapsack-Optimierungsproblem“ oder „Knapsack-Aufgabe“ bekannt ist und bei der sie einen virtuellen Rucksack mit einem bestimmten Fassungsvermögen und einer Auswahl von Gegenständen mit unterschiedlichem Gewicht und Wert erhielten. Die Teilnehmer mussten herausfinden, wie sie die Gegenstände am besten in den Sack legen, um den Gesamtwert des Inhalts zu maximieren.

Insgesamt zeigten sich bei den Teilnehmern, die die Smart Drugs einnahmen, geringfügige Einbußen bei der Genauigkeit und Effizienz sowie ein erheblicher Anstieg des Zeit- und Arbeitsaufwands im Vergleich zu den Ergebnissen, die sie ohne die Medikamente erzielten.

So brauchten die Teilnehmer, die Methylphenidat erhielten – das häufig zur Behandlung von ADHS bei Kindern eingesetzt wird, aber zunehmend auch von Studenten eingenommen wird, die sich auf Prüfungen vorbereiten -, im Durchschnitt etwa 50 % länger, um das Rucksackproblem zu lösen, als wenn sie ein Placebo erhalten hätten.

Darüber hinaus zeigten die Teilnehmer, die in der Placebobedingung eine höhere Leistung erbrachten als der Rest der Gruppe, nach der Einnahme eines Neuroenhancers einen stärkeren Leistungs- und Produktivitätsrückgang.

„Produktivität“

In Bezug auf die „Produktivität“, d. h. den Fortschritt pro Gegenstand, der in den Rucksack gelegt oder aus ihm genommen wurde, landeten die Teilnehmer, die unter Placebo zu den besten 25 % gehörten, unter Methylphenidat regelmäßig unter den letzten 25 %.

Im Gegensatz dazu zeigten Teilnehmer mit einer geringeren Leistung unter Placebo nur sehr selten eine leichte Verbesserung nach der Einnahme eines Medikaments.

Professor Peter Bossaerts, Leverhulme International Professor of Neuroeonomics an der University of Cambridge, ist der Ansicht, dass weitere Untersuchungen durchgeführt werden müssen, um herauszufinden, welche Auswirkungen diese Medikamente auf Nutzer ohne ADHS haben.

„Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass diese Medikamente einen nicht wirklich ’schlauer‘ machen“, so Bossaerts. „Aufgrund des Dopamins, das die Medikamente auslösen, erwarteten wir eine erhöhte Motivation, und sie motivieren einen dazu, sich mehr anzustrengen. Wir entdeckten jedoch, dass diese Anstrengung zu einem unberechenbareren Denken führte – und zwar auf eine Art und Weise, die wir genau bestimmen konnten, weil die Rucksackaufgabe in der Informatik bereits ausgiebig untersucht worden war.“

„Die Leistung stieg im Allgemeinen nicht an, so dass sich die Frage stellt, wie sich diese Medikamente auf den Verstand und die Entscheidungsfindung der Menschen auswirken.“

© arznei-news.de – Quellenangabe: SCIENCE ADVANCES Vol 9, Issue 24 DOI: 10.1126/sciadv.add4165

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