Glukokortikoide bei Hörsturz

Studie untersuchte Wirksamkeit von hochdosierten Glucocorticoiden zur Behandlung von plötzlichem Hörverlust

Glukokortikoide bei Hörsturz

05.01.2024 Systemische Glukokortikoide werden üblicherweise zur Primärtherapie des idiopathischen plötzlichen sensorineuralen Hörverlusts (ISSNHL) eingesetzt. Die vergleichende Wirksamkeit und das Risikoprofil von hochdosierten gegenüber niedrig dosierten Therapien sind jedoch nach wie vor unbekannt.

Eine hochdosierte Behandlung mit gängigen Medikamenten bei einem Hörsturz ist nicht wirksamer als die Standardtherapie, führt jedoch zu mehr Nebenwirkungen. Dies ergab eine landesweite Studie unter der Leitung der Universitätsmedizin Halle. Das Team führte eine systematische klinische Untersuchung mit über 300 Patienten durch. Die Ergebnisse, die im Fachjournal NEJM Evidence veröffentlicht wurden, stellen die Frage, ob die bisherige Standardtherapie überhaupt wirksam ist. Nach vorsichtigen Schätzungen erleiden weltweit jährlich mehrere hunderttausend Menschen einen Hörsturz.

Bei einem unerwarteten Hörverlust ohne offensichtlichen Grund, auch als Hörsturz bekannt, wird oft eine medikamentöse Behandlung mit entzündungshemmenden Glukokortikoiden durchgeführt, die dem körpereigenen Kortison ähnlich sind.

„Bisher hat man vermutet, dass eine sehr hohe Dosis von Glukokortikoiden über einen kurzen Zeitraum insgesamt besser wirkt. Wir haben die Effekte einer solchen Behandlungsstrategie in der aktuellen Studie erstmals systematisch untersucht, mit der Standardtherapie verglichen und konnten dabei so viele Betroffene berücksichtigen wie noch nie“, sagte Prof. Dr. Stefan Plontke, Studienleiter und Direktor der Universitätsklinik und Poliklinik für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie an der Universitätsmedizin Halle, in einer Pressemitteilung.

„Eine höhere Dosis von Glukokortikoiden zeigte keine besseren Therapieerfolge gegenüber der Standardtherapie. Allerdings traten mögliche Nebenwirkungen wie beispielsweise erhöhte Blutzuckerwerte oder eine Verschlechterung des Bluthochdrucks häufiger auf“, sagt Plontke.

Insgesamt 325 Patienten aus ganz Deutschland wurden in 39 Behandlungszentren auf drei Gruppen verteilt. Eine Gruppe erhielt die bisher übliche Standardtherapie, während zwei Gruppen eine wesentlich höhere Dosierung erhielten. Danach wurde untersucht, wie sich das Gehör nach 30 Tagen verbessert hatte und welche Nebenwirkungen aufgetreten waren.

Trotz der unmittelbaren Behandlung mit Glukokortikoiden blieben bei den meisten Personen in allen Gruppen weiterhin Defizite bestehen. Selbst in der Gruppe, die die Standardtherapie erhielt und nach 30 Tagen die besten Ergebnisse erzielte, war bei 60 Prozent der Personen keine vollständige Verbesserung festzustellen.

„Obwohl diese Medikamente seit 50 Jahren weltweit in der Hörsturz-Erstbehandlung zum Einsatz kommen, gibt es keinen belastbaren wissenschaftlichen Beweis für die Wirksamkeit. Ob die Therapie mit Glukokortikoiden wirksam, unwirksam oder schlechter als ein Placebo ist, müsste nun in einer Folgestudie untersucht werden“, erklärt Plontke.

Generell besteht laut dem Facharzt für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde ein dringender Bedarf an weiteren neuen medikamentösen Behandlungsoptionen bei Hörsturz.

© arznei-news.de – Quellenangabe: NEJM Evid 2024;3(1) DOI: 10.1056/EVIDoa2300172

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