Medikamentenstudien: Die Antidepressiva-Forschung hat Probleme

20.08.2015 Zu viele depressive Patienten werden aus den Medikamentenstudien ausgeschlossen

‚Normale‘ Patienten bleiben außen vor

Forscher des Rhode Island Hospital zeigen, dass Medikamentenstudien für neue Antidepressiva die Wirksamkeit der Medikamente nicht hinsichtlich der Verwendung bei ’normalen‘ Patienten mit Depression untersuchen.

Dr. Mark Zimmerman sagt, die Einbeziehungs-/Ausschlusskriterien für die klinischen Studien haben sich über die letzten fünf Jahre weiter verengt, so dass die meisten depressiven Patienten ausgeschlossen werden.

Der in Mayo Clinic Proceedings veröffentlichte Befund legt damit nahe, dass die Ergebnisse der Medikamentenstudien möglicherweise nicht auf diese Bevölkerungsgruppe anwendbar sind.

„Mehr als ein Jahrzehnt zuvor, erhob unsere klinische Forschungsgruppe Zweifel an der Verallgemeinerbarkeit der Medikamentenstudien und zeigte, dass die Mehrheit der in der routinemäßigen klinischen Praxis behandelten Patienten sich nicht für eine Studie qualifizieren würde“, fügte Zimmerman hinzu.

Studien ‚verengten‘ sich weiter

Diese Ergebnisse wurden mehrfach zu verschiedenen Zeitpunkten repliziert. „Wir fragten uns deshalb, ob die Pharmaunternehmen die Aufnahmebedingungen für Patienten inzwischen geändert haben: Tatsächlich haben sie es, aber auf eine unerwartete Weise“, sagte er.

Die neueren Studien sind sogar noch weniger verallgemeinerbar als die vorherigen, die selbst schon die meisten depressiven Patienten von den Behandlungsstudien – die die Pharmaunternehmen bezahlten – ausschlossen.

Welche Patienten wurden ausgeschlossen?

Zimmerman prüfte 170 placebokontrollierte Studien der letzten 20 Jahre; 56 von ihnen wurden in den letzten fünf Jahren veröffentlicht. Die jüngeren Studien schlossen mit größerer Wahrscheinlichkeit Patienten aus:

  • mit komorbiden (Achse I, DSM) Störungen und Persönlichkeitsstörungen;
  • wenn die Dauer der Episode zu lang oder zu kurz war;
  • die den diagnostischen Kriterien für klinische Depression entsprachen, aber nicht hoch genug auf einer Bewertungsskala punkteten.

Für schwerwiegend erkrankte Patienten mit z.B. Suizidgedanken macht es ethisch Sinn, sie von einer Studie auszuschließen, in der sie Placebos erhalten würden, sagte Zimmerman.

Aber Patienten mit komorbiden Stimmungserkrankungen auszuschließen ist häufiger geworden, und Patienten mit einer komorbid Achse I Störung wurden doppelt so wahrscheinlich aus den jüngeren Studien ausgeschlossen. Dies ist wichtig, weil die Mehrheit depressiver Patienten noch eine andere psychiatrische Diagnose hat, sagte er.

„Der Ausschluss von depressiven Patienten, die nicht hoch genug auf der Bewertungsskala abschneiden, betrifft die meisten. Dies würde etwa die Hälfte der in den klinischen Praxen auftauchenden Patienten ausschließen.“

Außerdem haben Studien gezeigt, dass Antidepressiva nicht weniger gut bei schweren depressiven Patienten wirken. Auf diese Art scheinen Pharmaunternehmen leichter demonstrieren zu können, dass ihre Produkte wirken, obwohl sie nur für ein enges Segment depressiver Patienten funktionieren könnten, schloss Zimmerman.

© arznei-news.de – Quellenangabe: Rhode Island Hospital, Mayo Clinic Proceedings; August 2015

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