Zusammenhang zwischen Valproat-Exposition in der Schwangerschaft und psychiatrischen Störungen im späten Kindesalter
25.05.2023 Eine pränatale (also während der Schwangerschaft) Exposition gegenüber dem Antiepileptikum Valproat ist mit einem erhöhten Risiko für spätere psychiatrische Störungen bei Kindern von Müttern mit Epilepsie verbunden laut einer online in JAMA Neurology veröffentlichten Studie.
Dr. Julie Werenberg Dreier von der Universität Aarhus in Dänemark und Kollegen untersuchten den Zusammenhang zwischen der Exposition gegenüber Antiepileptika (ASM) in der Schwangerschaft und einem Spektrum psychiatrischer Störungen im Kindes- und Jugendalter bei Kindern von Müttern mit Epilepsie. Die Analyse umfasste 38.661 Kinder von Müttern mit Epilepsie, die zwischen 1996 und 2017 in Dänemark, Finnland, Island, Norwegen und Schweden geboren wurden.
- Die Forscher fanden heraus, dass 42,6 Prozent der Kinder vorgeburtlich gegenüber ASM exponiert waren.
- Die pränatale Valproat-Exposition war mit einem erhöhten Risiko für den kombinierten psychiatrischen Endpunkt verbunden (bereinigte Hazard Ratio [aHR]: 1,80; kumulatives Risiko im Alter von 18 Jahren bei ASM-exponierten Kindern 42,1 gegenüber 31,3 Prozent bei nicht-exponierten Kindern), was hauptsächlich auf Störungen innerhalb des neurologischen Entwicklungsspektrums zurückzuführen war.
- Es gab kein erhöhtes Risiko für psychiatrische Störungen bei Exposition während der Schwangerschaft gegenüber Lamotrigin, Carbamazepin oder Oxcarbazepin, während es Zusammenhänge zwischen pränataler Exposition gegenüber Topiramat und Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (aHR: 2,38) und Exposition gegenüber Levetiracetam mit Angst- (aHR: 2,17) und Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (aHR: 1,78) gab.
„Diese Studie liefert den beruhigenden Nachweis, dass Lamotrigin, Carbamazepin und Oxcarbazepin nicht mit langfristigen Verhaltens- oder Entwicklungsstörungen assoziiert sind, kann aber Risiken bei höheren Dosen nicht ausschließen“, schreiben die Autoren.
© arznei-news.de – Quellenangabe: JAMA Neurol. Published online April 17, 2023. doi:10.1001/jamaneurol.2023.0674
News zu Valproinsäure / Valproat in der Schwangerschaft
- 25.05.2023 Zusammenhang zwischen Valproat-Exposition in der Schwangerschaft und psychiatrischen Störungen im späten Kindesalter
- 06.01.2019 Pränatale Valproat-Exposition verbunden mit erhöhtem ADHS-Risiko
- 05.03.2018 Pränatale Valproat-Exposition kann Auswirkungen auf die Schulleistung haben
- April 2017 Valproat (Valproinsäure) verantwortlich für ’schwere Geburtsfehler‘ in Frankreich?
- 15.12.2014 Rote-Hand-Brief zu Valproat: Anomalierisiko für Neugeborene – stärkere Sicherheitshinweise
- Okt. 2013 EMA: Valproinsäure in Schwangerschaft: Risikobewertungsverfahren
- Mai 2013 FDA Warnung bezüglich der Einnahme von Valproat-haltigen Präparaten in der Schwangerschaft: Folgen für den IQ des Kindes
- Weitere Infos, News zum Medikament Valproinsäure / Valproat
Erfahrungen, Erfahrungsberichte zu diesem Medikament
FDA Warnung bezüglich der Einnahme von Valproat-haltigen Präparaten in der Schwangerschaft: Folgen für den IQ des Kindes
Schwangere Frauen, die unter Migränekopfschmerzen leiden, sollten nicht Medikamente einnehmen, die Valproinsäure / Valproat enthalten, da sie den IQ ihrer Kinder senken können, sagte die FDA am Montag.
Warnung vor Einsatz bei Migräne
Die neue Warnung wird auf den Etiketten von Medikamenten gedruckt werden, die Valproat enthalten. Diese Medikamente enthalten schon eine Verpackungswarnung hinsichtlich fötaler Risiken einschließlich Geburtsfehler.
Valproatprodukte sind z.B.:
- Valproat-Natrium (Depacon), Divalproex Natrium (Depakote, Depakote CP und Depakote ER), Valproinsäure (Depakene und Stavzor) in den USA;
- in Europa: Convulex, Convulsofin, Depakine, Ergenyl, Leptilan, Orfiril, Valproat, und ihre generischen Versionen; (Kombinationspräparate: Depakine Chronosspere, Natriumvalproat).
Valproat-Medikamente sollten nie bei schwangeren Frauen für die Prävention von Migränekopfschmerzen verwendet werden, denn wir haben jetzt mehr Daten zu den Risiken für die Kinder, die jeglichen Behandlungsnutzen überwiegen, sagte Dr. Russell Katz, Direktor der Abteilung für Neurologieprodukte des FDAs Center for Drug Evaluation and Research.
Kinder schnitten sehr viel schlechter in IQ-Tests ab
Diese neue Warnung wurde ausgegeben, nachdem eine Studie herausfand, dass Kinder, deren Mütter Valproat-Medikamente gegen Epilepsie in der Schwangerschaft einnahmen, acht bis 11 Punkte schlechter bei IQ-Tests im Alter von 6 abschnitten, als Kinder, die anderen antiepileptischen Medikamenten während der Schwangerschaft ausgesetzt waren.
Hinweise an schwangere Frauen
Die FDA sagte auch:
- Frauen, die schwanger werden können, sollten nicht Valproat verwenden, es sei denn, es ist absolut nötig.
- Valproat-Produkte einnehmende Frauen im gebärfähigen Alter, sollten wirksame schwangerschaftsverhütende Maßnahmen ergreifen.
- Schwangere Frauen, die Valproat einnehmen, sollten umgehend mit ihrem Arzt sprechen. Die Frauen sollten nicht aufhören ihre Medikamente zu nehmen, ohne mit ihrem Arzt zu reden, weil ein plötzlicher Abbruch der Behandlung ernste und lebensbedrohliche medizinische Probleme für die Frau oder den Fötus verursachen kann.
© arznei-news.de – Quelle: U.S. Food and Drug Administration, Mai 2013
EMA: Valproinsäure in Schwangerschaft: Risikobewertungsverfahren
Die Europäische Arzneimittelagentur hat ein Risikobewertungsverfahren zu Valproat, Valproinsäure und verwandten Substanzen eingeleitet, da die Arzneimittel – wenn von schwangeren Frauen eingenommen – in Verbindung mit Fehlbildungen bei Kindern stehen.
Valproat ist als Antiepileptikum indiziert und zur Therapie manischer Zustände bei der bipolaren Störung (Valproinsäure wird auch ohne Zulassung zur Migräneprophylaxe eingesetzt).
Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte berichtet, das Großbritannien beantragt hat, ein Risikobewertungsverfahren gegen Valproinsäure und verwandte Substanzen einzuleiten, weil die Arzneimittel mit einem erhöhten Risiko für angeborene Fehlbildungen der Kinder verbunden sind, wenn sie in der Schwangerschaft eingenommen werden. Weiterhin gibt es Berichte über psychische Entwicklungsstörungen und Autismus-Spektrum-Störungen.
Die U.S. Food and Drug Administration hat bereits im Mai 2013 schwangere Frauen davor gewarnt Valproat bzw. verwandte Substanzen einzunehmen.
© arznei-news.de – Quelle: BfArM, Okt. 2013
Rote-Hand-Brief zu Valproat: Anomalierisiko für Neugeborene – stärkere Sicherheitshinweise
15.12.2014 Die Hersteller von Medikamenten, die Valproat und -verwandte Substanzen beinhalten, haben zusammen mit BfArM und EMA nach einer Risikoevaluation einen Rote-Hand-Brief zu zusätzlichen Sicherheitsinformationen hinsichtlich des Risikos für Anomalien beim Neugeborenen herausgegeben.
Danach besteht bei Kindern, deren Mütter in der Schwangerschaft Valproat-haltige Medikamente eingenommen haben, ein hohes Risiko für „schwerwiegende Entwicklungsstörungen (in bis zu 30-40 % der Fälle) und/oder angeborene Missbildungen (in ca. 10 % der Fälle)“.
Deshalb sollte „Mädchen, weibliche Jugendliche, Frauen im gebärfähigen Alter oder schwangere Frauen“ Valproat-haltige Medikamente nur verordnet werden, wenn andere Medikamente nicht toleriert oder nicht wirken. Der behandelne Arzt sollte sich hinsichtlich der Behandlung von bipolarer Störung / Epilepsie auskennen.
Es sollte eine sorgfältige Nutzen-Risiko-Abwägung vor der Behandlung durchgeführt und die zu behandelnden Frauen über die Risiken und notwendigen Überprüfung bei der Anwendung von Valproinsäure, sowie eine notwendige Verhütung und sofortige Aufsuchung des Arztes bei einer (geplanten) Schwangerschaft informiert werden.
© arznei-news.de – Quelle: BfArM, Dezember 2014
Valproat (Valproinsäure) verantwortlich für ’schwere Geburtsfehler‘ in Frankreich?
21.04.2017 Das Epilepsie-Medikament Valproat (Valproinsäure) soll in Frankreich bei 2.150 bis 4.100 Kindern verantwortlich für „schwere Missbildungen“ sein, seit das Medikament erstmals im Land im Jahr 1967 verkauft wurde laut einer Vorstudie der französischen Gesundheitsbehörden.
Frauen, die das Medikament während der Schwangerschaft zur Behandlung von Epilepsie einnahmen, hatten ein viermal höheres Risiko für Babys mit angeborenen Fehlbildungen, sagt der Bericht, der gemeinsam von der französischen Nationalen Agentur für die Sicherheit von Arzneimitteln (ANSM) und der nationalen Krankenversicherungsbehörde herausgegeben wurde.
Hohes teratogenes Risiko
Die Studie bestätige eine hohe teratogene (Einwirkungen, die Fehlbildungen beim Embryo hervorrufen können) „Natur von Valproat“, sagte Mahmoud Zureik, wissenschaftlicher Direktor des ANSM und ein Ko-Autor des Berichts.
Spina bifida, Herz- und genitale Defekte
Die Zahl von etwa 3.000 schweren Missbildungen ist sehr hoch, sagte er. Die Formen der Geburtsfehler, die dem Medikament zugeschrieben wurden, waren Spina bifida (‚offener Rücken‘), Defekte des Herzens und der Genitalorgane.
Das Risiko für Autismus- und Entwicklungsprobleme wird in einem Folgebericht in diesem Jahr quantifiziert.
Von 1967 bis 2016 wurden zwischen 64.100 und 100.000 Schwangerschaften in Frankreich Valproat ausgesetzt, was zu 41.200 bis 75.300 Lebendgeburten führte, so der Bericht.
Die überwiegende Mehrheit der Geburtsfehler trat bei Frauen auf, die wegen Epilepsie behandelt wurden.
Höheres Risiko bei Bipolarer Störung
Aber ab Ende der 1970er Jahre wurde Valproinsäure – in Frankreich unter Depakin, Depakote, Stavzor und anderen Handelsnamen bekannt – auch zur Behandlung von Bipolarer Störung verschrieben.
Bipolare Frauen, die das Medikament einnehmen, haben ein doppelt so hohes Risiko für Kinder mit schweren Geburtsfehlern, fand die Studie.
Das niedrigere Risiko gegenüber Frauen, die wegen Epilepsie behandelt wurden (vierfach erhöhtes Risiko), rührt vermutlich daher, dass die Behandlung bei schwangeren bipolaren Frauen frühzeitig in der Schwangerschaft gestoppt wurde, sagte Zureik.
Die ersten beiden Trimester der Schwangerschaft
Das Risiko einer schweren Fehlbildung ist auf die ersten beiden Trimester der Schwangerschaft beschränkt, sagte Alain Weill Koautor des Berichts.
Das Risiko für Geburtsfehler, die mit Valproat verbunden sind, ist seit den 1980er Jahren bekannt, besonders für die Bedingung Spina bifida, die 20 Mal häufiger bei Föten auftritt, die dem Medikament ausgesetzt waren, schrieben die Forscher.
In einer Erklärung sagte Sanofi gegenüber der Nachrichtenagentur AFP, dass das Unternehmen völlig transparent gegenüber den Gesundheitsbehörden gewesen sei.
Das Unternehmen sei sich der schmerzlichen Situation bewusst, mit der die Familien der Kinder konfrontiert sind, die aufgrund einer Verbindung mit der antiepileptischen Behandlung ihrer Mutter während der Schwangerschaft aufgetreten sein können, sagte der Pharmakonzern.
© arznei-news.de – Quellenangabe: AFP, Agence nationale de sécurité du médicament et des produits de santé; April 2017
Pränatale Valproat-Exposition kann Auswirkungen auf die Schulleistung haben
05.03.2018 Die Leistung in der Schule ist bei Kindern mit pränataler Exposition (in der Schwangerschaft) gegenüber Valproat (Salz der Valproinsäure) signifikant geringer laut einer in JAMA Neurology veröffentlichten Studie.
Dr. Lars Skou Elkjaer von der Universität Aarhus und Kollegen führten eine bevölkerungsbasierte Gruppenstudie durch, um den Zusammenhang zwischen der langfristigen Schulleistung und der pränatalen Exposition gegenüber Valproat und anderen Antiepileptika zu untersuchen.
Es wurden die Daten von 479.027 Kindern erfasst, die zwischen 1997 und 2006 in Dänemark lebend geboren wurden und an nationalen Schultests teilgenommen haben.
Vergleich mit anderen Medikamenten
Die Forscher fanden heraus, dass Kinder, die Valproat ausgesetzt waren, bei den Dänisch-Tests der sechsten Klasse (bereinigte Differenz -0,27 Standardabweichung [SD]) und den Mathematik-Tests der sechsten Klasse (bereinigte Differenz – 0,33 SD) schlechter abgeschnitten haben als nicht-exponierte und Lamotrigin-exponierte Kinder (bereinigte Differenz -0,33 SD).
Clonazepam-exponierte Kinder schnitten bei den Schultests der sechsten Klasse schlechter ab (bereinigte Differenz -0,07 SD).
Im Vergleich zu nicht-exponierten Kindern waren Carbamazepin, Lamotrigin, Phenobarbital und Oxcarbazepin-Exposition nicht mit einer schlechteren Schulleistung verbunden.
Die Einnahme von Valproat der Mutter in der Schwangerschaft war mit einem signifikanten Rückgang der Schulleistung beim Nachwuchs verbunden, verglichen mit Kindern, deren Mütter keine Antiepileptika einnahmen und verglichen mit Kindern, die Lamotrigin ausgesetzt waren, schreiben die Autoren.
Die Ergebnisse dieser Studie sind eine weitere Warnung vor Valproat / Valproinsäure bei Frauen im gebärfähigen Alter, schließen sie.
© arznei-news.de – Quellenangabe: Universität Aarhus; JAMA Neurology – doi:10.1001/jamaneurol.2017.5035
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