Studie mit dem reversiblen BTK-Inhibitor Nemtabrutinib bei Patienten mit rezidivierter/refraktärer chronischer lymphatischer Leukämie und B-Zell-Non-Hodgkin-Lymphom
07.11.2023 Ein neues zielgerichtetes Medikament, das von Forschern des Ohio State University Comprehensive Cancer Center-Arthur G. James Cancer Hospital und des Richard J. Solove Research Institute (OSUCCC-James) untersucht wurde, könnte eine neue Behandlungsoption für Patienten mit Blutkrebs (Leukämie), einschließlich chronischer lymphatischer Leukämie (CLL) und Non-Hodgkin-Lymphom (NHL), darstellen, deren Krankheit auf Standardbehandlungen nicht mehr anspricht.
In der ersten klinischen Studie dieses Medikaments am Menschen war Nemtabrutinib bei drei Viertel der getesteten Krebspatienten wirksam, ohne schwere Nebenwirkungen zu verursachen. Die Ergebnisse der Studie wurden in der Zeitschrift Cancer Discovery veröffentlicht.
Krebs der B-Zellen
Die Hämatologin und Studienleiterin Dr. Jennifer Woyach weist darauf hin, dass etwa ein halbes Dutzend Medikamente zur Behandlung dieser Krebsformen der B-Zellen zur Verfügung stehen. Obwohl die meisten Patienten zunächst auf diese Medikamente ansprechen, kommt es bei vielen Patienten im Laufe der Zeit zu einem Fortschreiten der Krankheit.
„Blutkrebs, der nach der Erstbehandlung wieder auftritt, kann schwer zu behandeln sein, und selbst mit unseren wirksamen Medikamenten gibt es für manche Patienten keine Standardbehandlungsmöglichkeiten mehr. In dieser Studie sieht Nemtabrutinib sehr vielversprechend für Patienten aus, deren Krebs nach anderen Behandlungen fortgeschritten ist“, sagte Woyach.
Wie dieses Medikament wirkt
Wenn ein Antigen, z. B. ein Virus oder eine Bakterie, in den Blutkreislauf gelangt, löst es in den B-Zellen eine Reihe von Signalen zur Produktion von Antikörpern aus. Bei manchen Menschen, so Woyach, läuft dieser Prozess aus dem Ruder. Anstatt Infektionen zu bekämpfen, beginnen die B-Zellen, sich unkontrolliert zu teilen, was zu Krebs führt. Medikamente gegen B-Zell-Krebs wirken durch Bindung an ein Schlüsselenzym, die Bruton-Tyrosinkinase (BTK). Dieses Enzym ist am Signalvorgang beteiligt. Die Medikamente blockieren die Wirkung des Enzyms, was zum Absterben der abnormen B-Zellen führt.
Bei vielen Patienten ist diese Wirkung mit den verfügbaren Medikamenten nur vorübergehend. Mit der Zeit mutiert das BTK-Enzym, an das die Medikamente binden, so dass sie seine Wirkung nicht mehr aufhalten können. Bald kehrt der Krebs zurück. Nemtabrutinib wurde so entwickelt, dass es an BTK bindet, auch wenn häufige Mutationen vorhanden sind, die dazu führen, dass andere BTK-Inhibitoren nicht mehr wirken. Es bindet auch an eine Reihe von Proteinen neben BTK, die bei B-Zell-Krebs wichtig sind. Diese beiden Eigenschaften machten dieses Medikament für die Untersuchung bei dieser Patientengruppe sehr interessant.
Studiendesign und Ergebnisse
Die Forscher untersuchten das neue Medikament an 47 Patienten, die bereits mindestens zwei Therapien gegen ihren Blutkrebs erhalten hatten. Mehr als die Hälfte dieser Patienten hatte eine rezidivierende CLL, während die anderen an NHL erkrankt waren. Die Forscher verabreichten diesen Patienten täglich eine Tablette Nemtabrutinib, wobei die Dosierung im Verlauf der Studie variierte. Sie beobachteten das Ansprechen der Patienten auf das Medikament im Laufe der Zeit und kontrollierten sie auf Nebenwirkungen.
Die Studie ergab, dass mehr als 75 % der Patienten mit rezidivierender CLL auf das Medikament ansprachen, und zwar bei einer optimalen Dosis von 65 mg. Darunter befanden sich auch Patienten, die BTK-Mutationen aufwiesen. Die meisten Patienten blieben während der Studie mindestens 16 Monate lang krebsfrei. Zwar traten bei allen Patienten einige Nebenwirkungen auf – was bei Chemotherapeutika üblich ist -, doch waren viele davon geringfügig und überschaubar, was zeigt, dass das Medikament auch sehr sicher ist, schreiben die Autoren.
„Das Medikament wird nun in größeren und aussagekräftigeren Studien eingesetzt, in denen es mit anderen Standardmedikamenten und in Kombination mit anderen aktiven Medikamenten verglichen wird“, so Woyach.
© arznei-news.de – Quellenangabe: Cancer Discovery (2023). DOI: 10.1158/2159-8290.CD-23-0670