- 27.01.2015 Erhöhen Anticholinergika das Risiko für die Entwicklung von Alzheimer?
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Erhöhen Anticholinergika das Risiko für die Entwicklung von Alzheimer?
27.01.2015 Anticholinergika umfassen viele häufig eingesetzte Medikamente wie Antihistamine, Schlafmittel, Antidepressiva, kardiovaskuläre Medikamente, gastrointestinale Medikamente (z.B. bei Durchfall, Inkontinenz, Divertikulitis und Geschwüren) und Muskelrelaxantien. Nun bestätigt eine neue Studie die Verbindung zwischen diesen weit verbreiteten Medikamenten und Demenz bzw. der Entwicklung der Alzheimer-Krankheit.
Die Einnahme von Anticholinergika in hohen Dosen oder über einen längeren Zeitraum erhöht signifikant das Risiko für die Entwicklung der Alzheimer-Krankheit und andere Demenzerkrankungen, sagen die Forscher vom Fachbereich für Pharmazie der Universität Washington.
Besonders betroffen sind ältere Menschen, denn die nehmen im Schnitt 4-5 verschreibungspflichtige und 2 nicht-verschreibungspflichtige Medikamente jeden Tag ein. Außerdem reagieren sie empfindlicher auf die Auswirkungen vieler Tabletten, inklusive Anticholinergika, die den Neurotransmitter Acetylcholin hemmen und so auf das Nervensystem wirken.
Anticholinergika-Liste (bzw. mit anticholinerger Wirkung)
Während die Medikamente zu zahlreich sind, um sie aufzuzählen, sind einige mit anticholinerger Wirkung – und diese Wirkung ist manchmal von der Dosis abhängig – bspw.:
- Diphenhydramin (Handelsnamen: Betadorm (D), Calmaben (A), Dibondrin (A), Dolestan (D), Dormutil (D), Emesan (D), Halbmond (D), Hevert-Dorm (D), Moradorm (D), Nardyl (CH), Nervo OPT (D), Noctor (A), Sediat (D), Sedopretten (D), Vivinox Sleep (D)),
- Alprazolam (Handelsnamen: Tafil (D), Xanax, Xanax retard (CH), Xanor (A)),
- Lorazepam (Handelsnamen: Tavor (D), Tolid (D), Ativan (USA, GB), Lorazepam dura (D), Merlit (A), Temesta (CH, AT, L, B)),
- Diazepam (Handelsnamen: Faustan (D), Gewacalm (A), Paceum (CH), Psychopax (A, CH), Stesolid (D, A, CH), Valiquid (D), Valium (D, A, CH, L), Valocordin-Diazepam (D), Diazep-CT (D)),
- Phenobarbital (Handelsnamen: Aphenylbarbit (CH), Luminaletten (D), Luminal (D, CH)),
- Chlordiazepoxid (Handelsnamen: Librium (D), Multum (D), Radepur (D)), und
- Clemastin (Handelsnamen: Tavegil/Tavegyl).
Die Studie
Für die gegenwärtige Studie untersuchten die Forscher eine zuvor berichtete Verbindung zwischen Anticholinergika (rezept- und nicht-rezeptpflichtig) und Demenz mit strengeren Methoden als in der Vergangenheit. Insbesondere testeten sie über einen längeren Zeitraum (sieben Jahre) und mit genaueren Beurteilungen zu den Verschreibungen über Apothekendaten, welche auch nicht-verschreibungspflichtige Anticholinergika einschlossen. Das Team untersuchte fast 3.500 Senioren, die an einer in JAMA Internal Medicine veröffentlichten Langzeit-Studie teilnahmen.
Die am häufigsten verwendeten Medikamente in der Studie waren trizyklische Antidepressiva wie Doxepin (Sinequan), Antihistamine wie Chlorphenamin (Benical (CH), Fluimucil Grippe (CH), Grippostad C (D, A), Migräne-Kranit (CH), Pecto-Baby (CH), Rhinipront (CH), Solmucalm (CH), Triocaps (CH)) und Antimuskarinika für die Blasenkontrolle wie Oxybutynin (Ditropan, Kentera).
Erhöhtes und nicht reversibles Risiko
Personen, die z.B. mindestens 10 mg/Tag Doxepin, 4 mg/Tag Diphenhydramin oder 5 mg/Tag Oxybutynin für mehr als drei Jahre einnahmen, zeigten ein größeres Risiko für die Entwicklung von Demenz. Wichtig: Es ist Ersatz für einige dieser Medikamente verfügbar.
Während diese Studie als erste eine Dosis-Wirkungs-Beziehung zeigen konnte – d.h. je mehr Anticholinergika man nimmt, desto größer ist das Risiko für die Entwicklung von Alzheimer – ist sie auch die erste, die zeigt, dass dieses erhöhte Risiko bestehen bleiben und nicht reversibel (umkehrbar) sein könnte, selbst wenn man die Verwendung von Anticholinergika seit Jahren gestoppt hat.
Behandlung
„Ältere Menschen sollten wissen, dass viele – auch nicht-verschreibungspflichtige – Medikamente starke anticholinerge Wirkungen haben“, sagte Dr. Shelly Gray von der Universität Washington.
Jedoch sollten die Medikamente nicht einfach ohne Rücksprache mit dem Arzt abgesetzt werden, sagte sie.
Wenn ein Medikament mit anticholinergen Wirkungen verschrieben wird, weil es die beste Behandlung für den Patienten darstellt, sollte die niedrigst wirksame Dosis verwendet und die Behandlung eng überwacht werden, um sicherzustellen, dass sie auch wirksam ist. Ineffektive Medikamente mit anticholinergen Wirkungen sollten gestoppt werden, führte sie weiter aus.
© arznei-news.de – Quellenangabe: Universität Washington, JAMA Internal Medicine, 2015; DOI: 10.1001/jamainternmed.2014.7663; Jan. 2015